Zukunft Energie: Smart Homes treiben das Smart Grid voran

Sagt Ihnen der Name Amory Lovins etwas? Der amerikanische Physiker wird oft als „Vater der Energiewende“ bezeichnet. In den 1970er-Jahren belächelte man ihn, im März 2016 wurde er auf der „Berlin Energy Transition Dialogue“ für seine herausragende Forschung ausgezeichnet. Wie die Zeiten sich geändert haben. Immer häufiger taucht nun sein Name in den jüngsten Debatten rund um erneuerbare Energien auf. Denn inzwischen ist längst klar: Globale Energiepolitik ist in Zeiten von Krisen und Konflikten auch Sicherheitspolitik.

„Die umweltfreundliche Technologie ist oder wird billiger als die herkömmliche.“

Amory Lovins

Ressourcen schonen und erneuerbare Energien fördern sind die Gebote der Gegenwart und der Zukunft. Smart Grid heißt dabei die Revolution der Stromversorgung, mit der wir die Stromerzeugung künftig noch besser an den Verbrauch anpassen können. Das entlastet nicht nur den Geldbeutel, sondern entspricht auch dem zukunftsweisenden Angebot von Strom aus erneuerbaren Quellen – vor allem in Deutschland.

Die Energiewende fordert einen Wendepunkt in der Energieversorgung

Was Smart Grid konkret und finanziell für den Verbraucher bedeutet, lässt sich am besten am Beispiel der Haupt- und Nebensaison erklären: Ein und dasselbe Hotelzimmer in einem Skiort kostet im Herbst oder Frühjahr deutlich weniger als im Winter. Ein Cabriolet wird ausgerechnet dann erschwinglich, wenn die Zeit für das Fahren „oben ohne“ eigentlich schon vorbei ist. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Nachfrage und Preis ist uns allen bekannt, und doch kostet eine Kilowattstunde Strom immer gleich viel – ob an einem frostigen Wintermorgen oder einem heißen Sommernachmittag.

Das Smart Grid, das intelligente Stromnetz, ist genau auf die neuen Marktbedingungen angepasst, unter denen erneuerbare Energien künftig immer mehr an Bedeutung gewinnen. Deutschland hat in dieser Hinsicht bedeutsame Fortschritte gemacht: Im Jahr 2023 stammten bereits über 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Ein Meilenstein, der die Dynamik und den Erfolg der Energiewende unterstreicht.

Die Konsequenz aus dem Umstieg auf Erneuerbare: das Stromnetz muss intelligenter werden

Je mehr bei der Stromerzeugung auf erneuerbare Energie umgestellt wird, desto klarer wird deutlich, dass die bestehende Infrastruktur dafür nicht ausreicht. Stromnetze müssen intelligenter werden und sich mit dem Datennetz, das die Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Energie koordiniert, verbinden. Informations- und Kommunikationstechnologien können die Energiezufuhr bedarfsgerecht steuern. Spannungsschwankungen, Verfügbarkeiten und Fehlermeldungen müssen gebündelt werden, um eine reibungslose Stromversorgung zu garantieren. Voraussetzung für all dies ist, dass die Haushalte intelligenter werden.

Dezentrale Stromerzeugung braucht eine neue Verteilungslogik und Anreize

Ein wesentliches Merkmal der Erneuerbaren ist, dass sie naturgemäß nicht immer dort und dann erzeugt werden, wann und wo sie gebraucht werden. Um diese Energie intelligent in das System zu integrieren, müssen die Netzinfrastruktur entsprechend ausgebaut und neue Speichertechnologien gefunden werden.

Bisher ist unsere Stromversorgung wie folgt geregelt: Die Kraftwerke stellen in der Regel immer so viel Strom bereit, wie Haushalte und Industrie verbrauchen. Die Erzeuger richten sich also nach der Lastkurve. Zur Deckung der Spitzenlast – meist an eisig kalten Wintervormittagen – können Speicherkraftwerke innerhalb kürzester Zeit auf volle Leistung hochfahren. Eben diese ständige Bereitschaft zur Höchstleistung ist aber besonders kostspielig und nicht sonderlich effizient. Um den Markt an die neuen Gegebenheiten anzupassen, braucht es ein Umsteuern. Die Nachfrage soll sich künftig verstärkt über Preissignale dem Angebot anpassen. Wind- und Sonnenenergie sind bekanntlich abhängig vom Wetter. Hier kommt das Smart Grid ins Spiel.

Im Modell funktioniert das Smart Grid längst

Wie steht es heute um die Umstellung auf das intelligente Stromnetz? Dass das Smart Grid zur Normalität werden muss, ist heute Konsens. Bereits im Jahr 2016 testete ein Forschungsteam auf dem EUREF-Campus in Berlin Schöneberg ein Micro Smart Grid. Es besteht bis heute und in der Zwischenzeit befinden sich hier 36 Ladestationen für Elektroautos. Um das Netz nicht zu überlasten, kann der Strom für Verbrauche aus den Batterien der Elektroautos auch zurück ins Netz fließen.

Dass diese Logik auch eine Nummer größer geht, wurde im Rahmen des Projekts „SmartRegion Pellworm“ unter Beweis gestellt. Die großen Mengen an durch starken Wind und Sonneneinstrahlung auf der nordfriesischen Insel Pellworm erzeugten Strom wurden in leistungsstarken Batterien sowie in Heizungssystemen von Haushalten abgespeichert. Bereits 2018 kam man zum Schluss, dass das dort eingerichtete Smart Grid nicht nur funktioniert, sondern der Betrieb wirtschaftlich sinnvoll ist. Dass die Insel heute nach wie vor Strom aus nicht erneuerbaren Quellen nutzt, liegt nicht an der Machbarkeit, sondern der Komplexität des deutschen Energienetzes sowie der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Das Smart Home als Treiber der Entwicklung

Voraussetzung ist allerdings eine Schnittstelle zum Energieversorger, die eine Steuerung von Geräten zulässt. Diese automatisierte Verbindung einzelner Verbraucher und Erzeuger im Gebäude miteinander hat einen Namen: „Smart Home“. Denn nur in einem Smart Home, in dem die Heizung erkennt, wenn das Fenster offensteht und Beleuchtung, Kühlschrank und Waschmaschine miteinander vernetzt sind, werden sich die verschiedenen Funktionen und Elektro-Geräte optimal steuern lassen.

In Zukunft wird also eine Komposition aus unseren individuellen Bedürfnissen als Hausbewohner, der Wetterprognose und dem Angebot an günstiger Energie unsere Elektrogeräte optimal steuern – egal, wo wir uns gerade aufhalten. Intelligente Stromzähler, Smart Meter, sammeln alle relevanten Daten über den Stromverbrauch in Echtzeit und stellen die Datenschnittstelle zwischen den privaten Haushalten, Netzbetreibern und Energielieferanten her. Nur so kann noch effektiver Strom erzeugt, verbraucht und eingespart werden.

Smart Meter als Schnittstelle zwischen Smart Home und Smart Grid

In Deutschland wird derzeit darum der Einsatz von Smart Metern, also intelligenten Stromzählern, zunehmend vorangetrieben, um die Digitalisierung der Energiewende zu unterstützen. Smart Meter sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende, da sie helfen, Energie effizient und kostengünstig zu nutzen und das Stromnetz zu entlasten. Sie ermöglichen eine bessere Steuerung des Stromnetzes und geben den Kunden einen detaillierteren Überblick über ihren Stromverbrauch.

Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz beschleunigt den Einbau dieser intelligenten Strommesssysteme: Ab dem Jahr 2025 soll der Einbau von intelligenten Messsystemen für Haushalte mit einem Jahresstromverbrauch von über 6.000 Kilowattstunden oder einer Photovoltaik-Anlage mit mehr als sieben Kilowatt installierter Leistung verpflichtend werden. Bis 2030 sollen alle diese Abnehmer weitestgehend mit Smart Metern ausgestattet sein. Darüber hinaus sollen auch Haushalte, die weniger Strom verbrauchen, das Recht auf Einbau eines intelligenten Stromzählers erhalten.

Deutschland als Sonderfall

Im Vergleich zu anderen Ländern liegt in Deutschland ein Sonderfall vor. Während zwei der größten Industrieregionen in den südlichen Bundesländern liegen, findet sich eine der wichtigsten erneuerbaren Energiequellen, der Wind, vor allem im Norden. Das Nord-Süd-Gefälle im Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland hat direkte Auswirkungen auf die Entwicklung und Implementierung von Smart Grids.

Smart Grids sind entscheidend für die effiziente Integration Erneuerbarer Energien in das Stromnetz, da sie den Energiefluss flexibel steuern und an die volatilen Erzeugungsmuster von Wind- und Solarstrom anpassen können. Die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dem regionalen Ungleichgewicht im Ausbau Erneuerbarer Energien ergeben, sind dabei vielschichtig:

  1. Flexibilität und Ausgleich: Smart Grids im windreichen Norddeutschland müssen unregelmäßige Windenergie managen und Überschüsse speichern oder weiterleiten. Im Süden liegt der Fokus auf der Speicherung von Solarstrom.

  2. Regionale Netzbelastung: Das Nord-Süd-Gefälle führt zu unterschiedlichen Belastungen in regionalen Stromnetzen. Smart Grids gleichen diese aus, indem sie den Stromverbrauch und die -erzeugung intelligent steuern und Netzüberlastungen minimieren.

  3. Energiehandel und -verteilung: Smart Grids fördern effizienteren Energiehandel zwischen Regionen, ermöglichen z.B. die Übertragung von überschüssigem Windstrom aus dem Norden in den Süden. Dies erfordert jedoch den Ausbau der Netzinfrastruktur.

  4. Anpassung an lokale Gegebenheiten: Smart Grids müssen an regionale Besonderheiten angepasst werden, einschließlich der unterschiedlichen Energiequellen, Verbrauchsmuster und Infrastruktur.

Die effektive Nutzung von Smart Grids in Deutschland steht somit im direkten Zusammenhang mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien und den regionalen Unterschieden in deren Verfügbarkeit und Nutzung. Eine Herausforderung besteht darin, ein landesweites Smart Grid-System zu entwickeln, das flexibel genug ist, um sowohl die regionalen Unterschiede als auch die dynamischen Veränderungen in der Energieerzeugung und -nachfrage zu berücksichtigen.

Fazit: Die größte Transformation des Stromnetzes seit seinem Bestehen

Fest steht, dass das Stromnetz vor der größten Transformation seiner Geschichte steht. Die Herausforderung bei der Umstellung auf Smart Grids besteht im Umbau des bestehenden Netzes während des laufenden Betriebes. Dies erfordert erhebliche Investitionen in Infrastruktur und Technologie und stellt hohe Anforderungen an die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Systems. Datenschutzfragen, insbesondere im Zusammenhang mit Smart Metern, müssen sorgfältig behandelt werden, um die Privatsphäre der Verbraucher zu schützen und die Akzeptanz zu erhöhen.

Unsere Zukunft speist sich aber auf absehbare Zeit aus erneuerbarem Strom, der in seiner Gewinnung starken Schwankungen unterliegt. Informations- und Kommunikationstechnologien spielen daher eine entscheidende Rolle bei der bedarfsgerechten Steuerung der Energiezufuhr. Das Smart Home ist die Voraussetzung für ein effektives Smart Grid. Durch die Verbindung von Haushaltsgeräten mit intelligenten Steuerungssystemen kann der Energieverbrauch optimiert und an das Angebot angepasst werden. Dadurch ergeben sich finanzielle Ersparnisse und eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Höchste Zeit also, Smart-Home-Technologien für eine saubere Zukunft und nicht nur zum Wohl des Einzelnen zu nutzen.

Zurück
Zurück

Matter: Die Revolution im Smart Home – zwei Jahre später

Weiter
Weiter

Matter 1.2: Das sind die Neuerungen der neuen Version