Technische Basis und Grundlagen des Smart-Home-Standards Matter (Teil 2/2)

Der neue Smart-Home-Standard Matter ist vielversprechend und hat das Potenzial, die gesamte Branche zu verändern. Denn Matter ist angetreten, die größten Herausforderungen im Smart-Home-Bereich zu lösen: die Vielfalt der bestehenden Standards sowie deren Inkompatibilität. Darüber hinaus ergeben sich jedoch weitere Vorteile, die Matter als integrativer Systemansatz bietet. Welche das sind und wie genau diese realisiert werden, damit befasst sich dieser Blog-Artikel.

Grundlagen: Wodurch zeichnet sich Matter aus?

Im Kern ist Matter ein neuer Verbindungsstandard. Er ist darum im Bereich von Übertragungsprotokollen zu verorten – ähnlich wie KNX, Ethernet, Z-Wave oder ZigBee. Gleichzeitig geht Matter weit darüber hinaus, da der neue Standard gleichzeitig die Übertragungsregeln für den Datentransport sowie deren Inhalt regelt. Matter liefert vielmehr eine neue, gemeinsame Sprache für Smart-Home-Komponenten. Aber genau damit ermöglicht Matter noch mehr: Mit Matter lässt sich ein Smart Home grundlegend anders aufbauen. Abbildung 1 zeigt den herkömmlichen Aufbau eines Smart Homes.

Abbildung 1: So sah die Situation im Smart Home bisher aus. (Quelle: Digitalzimmer)

Die Steuerung der Endgeräte verläuft bislang über den Weg angefangen bei den Apps, Sprachassistenten, Routern oder smarten Lautsprechern, geht dann über die System-Clouds hin zu den Clouds der verschiedenen Anbieter und Hersteller und dann erst zu den Endgeräten. Der Aufbau eines Smart Homes, das auf Matter basiert, sieht grundlegend anders aus (Abb. 2). Hier wird deutlich, dass eine direkte Kommunikation zwischen den Steuerungsgeräten und -Apps mit den Endgeräten möglich wird.

Abbildung 2: Aufbau eines Mesh-Netzwerks mit Matter. Hier ohne Internetverbindung nach draußen (Quelle: Digitalzimmer)

Das Thread-Protokoll als Mesh-Netzwerk

Dieser grundlegend neue Aufbau hat mit den technischen Grundlagen von Matter zu tun. In dessen Herzen befindet sich das „Thread-Protokoll“. Thread ist ein Mesh-Netzwerkprotokoll mit geringem Stromverbrauch. Der Wortteil „Mesh“ ist dem ein oder anderen vielleicht von neuen WLAN-Lösungen bekannt. Dabei wird durch mehrere Mesh-Netzwerkpunkte ein großes, stabiles WLAN-Netzwerk aufgebaut.

Thread basiert auf demselben Prinzip. Auch mit dem Thread-Protokoll wird ein Mesh-artiges Netz hergestellt, das sowohl die optimale Abdeckung im Smart Home sicherstellen als auch die Stabilität des Netzwerks garantieren soll, falls einzelne Punkte im Netz ausfallen. Die Kommunikation basiert dabei auf dem Internet-Protokoll (IP) und ist daher mit bekannten Standards kompatibel. Daher kann eine der drei folgenden Möglichkeiten zur Datenübertragung genutzt werden, um mit Matter-kompatiblen Geräten zu Daten auszutauschen

·      Ethernet/LAN (IEEE 802.3)

·      WLAN (IEEE 802.11)

·      Thread (IEEEE 802.15.4)

Zusätzlich kann Matter mit Bluetooth Low Energy (BLE) während der Installation und Inbetriebnahme von Geräten eine Funkverbindung zu neuen Geräten herstellen. Via Smartphone oder Tablet können dann die Zugangsdaten für das WLAN übermittelt werden, damit das Gerät zukünftig direkt mit dem Router kommunizieren kann.

Neben LAN oder WLAN steht dabei als neue Verbindungstechnologie das Thread-Protokoll zur Verfügung. Es bringt ähnliche Vorteile wie Z-Wave oder Zigbee mit sich: Es braucht wenig Strom und ist daher besonders für batteriebetriebene Smart-Home-Komponenten geeignet. Zudem ist das Thread-Protokoll Mesh-fähig, sodass jedes verbundene Gerät gleichzeitig auch als Repeater fungieren kann.

Vom Mesh-Netzwerk zum Thread-Netzwerk

Zwar gibt es Ähnlichkeiten zwischen einem Mesh-Netzwerk und einem Smart-Home-System, das mit dem Thread-Protokoll arbeitet, aber es gibt auch Unterschiede. Zum Beispiel wird nicht jedes im System eingebundene Endgerät automatisch zu einem stützenden Netzwerkpunkt, wie unter Matter. Manche Geräte erfüllen einfach nur ihre Funktion. Ein batteriebetriebener Taster, der eine Jalousie bedient und nur Steuerungsbefehle erhält, oder ein Sensor, der nur bei Bedarf austretendes Wasser registrieren soll, erweitert nicht als Sender oder Repeater das Netzwerk.

Ein Router sendet Signale ins Mesh- bzw. Thread-Netzwerk. In einem WLAN-Netzwerk gibt es im Regelfall einen Router, der mit dem Internet verbunden ist. Im Thread-Netzwerk kann es hingegen mehrere Router geben. Jeder weitere Router sorgt dafür, dass das Netzwerk stabiler ist. Dafür muss ein Router permanent mit Strom versorgt sein. Damit eignen sich Leuchtmittel oder Zwischenstecker besonders für die Aufgabe als Thread-Router.

Ein Border-Router ist wiederum nötig, um eine Verbindung zwischen dem Smart-Home-Netzwerk und dem Internet herzustellen. Damit ist das Smart Home auch via Smartphone von unterwegs steuerbar. (Vgl. Abb. 3)

Abbildung 3: Ein Thread-Netzwerk mit mehreren Mesh-Routern sowie einem Border-Router. (Quelle: Digitalzimmer)

Die Rolle von Matter im Thread-Netzwerk

Da Thread jedoch, ähnlich wie WLAN oder Bluetooth, lediglich ein Übertragungsprotokoll ist, stellt das damit erstellte Netzwerk nur die Grundstruktur für die Übertragung der Daten dar. Informationen werden damit aber noch nicht übermittelt. Der Kommunikationskanal steht quasi, aber es wird noch nichts „gesagt“. Das übernimmt Matter, indem es andere Smart-Home-Geräte im Netzwerk identifizieren und mit ihnen kommunizieren kann. Thread ist also die Grundlage für Matter.

Das Zusammenspiel beider funktioniert ähnlich wie das im Prinzip auch beim Funkprotokoll ZigBee der Fall ist. Der wesentliche Unterschied zu ZigBee: Im „Matter-Thread-Netzwerk“ kann es mehrere Border-Router geben, die eine Schnittstelle zum Internet und damit auch zu Smartphones und anderen mobilen Geräten darstellen. Bei ZigBee gibt es lediglich eine zentrale „Brigde“ nach außen. Da die Border-Router zugleich als Repeater fungieren, erhält man mit Matter eine sehr große Netzwerkabdeckung innerhalb des Smart Homes, das nahezu immer erreichbar ist.

Warum wird Matter und nicht ZigBee der neue Standard im Smart Home?

Auch wenn Matter und ZigBee einige Parallelen aufweisen, weist insbesondere das Thread-Netzwerk gegenüber dem Übertragungsprotokoll von ZigBee gravierende Vorteile auf. Zwar ist auch ZigBee ebenso wie Thread ein Mesh-Netzwerk. Allerdings braucht ZigBee eine zentrale Steuerungsstelle. Im Gegensatz dazu akzeptiert das Thread-Netzwerk problemlos mehrere Knotenpunkte, über die Steuerungsbefehle eingegeben und an beliebige andere Punkte innerhalb des Netzes weitervermittelt werden. Darum lässt sich mit Matter eine Smart-Home-Komponente ebenso über jedes beliebige Steuergerät, Sprachassistenten oder Smartphone-App steuern.

Thread ist ein lokales, dezentrales Smart-Home-Netzwerk

Wie in Abb. 2 oben dargestellt ist, kann mit Matter als neuem Verbindungsstandard ein Smart Home auch vollständig ohne Verbindung zum Internet betrieben werden. Die Steuerung kann also rein lokal stattfinden, ohne „Umweg“ über das Internet. Dafür kommuniziert die App oder ein Sprachassistent direkt mit dem lokalen Thread-Netzwerk. Seinem strukturellen Aufbau nach ist dieses Netz lokal und dezentral. Es bringt damit wesentliche Vorzüge mit sich. Erstens ergeben sich dadurch sehr viel kürzere Reaktionszeiten. Zweitens ist es dadurch insgesamt stabiler, selbst wenn einzelne Knotenpunkte ausfallen sollten. Drittens ist es unabhängig von Ausfällen von Cloud-Diensten oder der Internet-Versorgung. Viertens kann es dadurch auch nicht so einfach über das Internet gehackt werden.

Bei den letzten beiden Punkten ist zu bemerken: Auch wenn die Steuerung unabhängig vom Internet ist, braucht auch ein auf Matter basiertes Smart Home Zugang zum Internet. Denn Software- und Firmware-Updates sind kritisch für die Sicherheit und Funktionsfähigkeit von Smart-Home-Komponenten. Zudem kann es eine Steuerung von unterwegs nur dann geben, wenn das Smart Home mit dem Internet verbunden ist.

Das lokale, dezentrale Netzwerk weist noch einen weiteren Vorteil auf: Es ist zukunftsfähig. Mit der wachsenden Anzahl von vernetzten Smart-Home-Geräten innerhalb des selben Netzes geraten heutige Netzwerkstrukturen an Grenzen. Wenn jedes System, jedes Gerät und jeder Sensor eine separate Verbindung zum Internet bzw. einer Anbieter-Cloud braucht, wird die Netzwerkstruktur sehr schnell sehr komplex. Im schlimmsten Fall könnte diese Entwicklung in Zukunft dazu führen, dass bisherige Smart-Home-Systeme das lokale Netzwerk überlasten und Steuerungsbefehle vollständig verloren gehen.

Ausblick: Ein perfektes System oder nur ein erster Schritt?

Zahlreiche Aspekte der technischen Grundlagen von Matter bzw. dem Thread-Netzwerk sind äußerst vielversprechend. Der neue Verbindungsstandard und dessen Übertragungsprotokoll präsentieren eine tragfähige Lösung bisher bestehender Probleme von Smart-Home-Systemen. Dennoch muss die Frage gestellt werden, ob es sich wirklich um ein perfektes System handelt. Insbesondere, wenn es um das wichtige Thema Sicherheit geht, bleiben kaum Wünsche offen. Selbst wenn Daten wie Steuerbefehle über den Border-Router ins Internet übertragen werden, können diese nicht von Dritten mitgelesen oder manipuliert werden, da sämtliche Daten kryptografisch verschlüsselt übertragen werden in Anlehnung an die Block-chain-Technologie.

Aber es gibt durchaus noch offene Punkte, die weiterentwickelt werden müssen. Denn im Moment sind nur die Grundfunktionen eines Smart Homes abgedeckt. Viele typische Aufgaben wie die Automatisierung oder die Fernsteuerung von Geräten sind am Anfang nicht direkt über Matter möglich. Sie verbleiben aktuell Bestandteil der Lösungen einzelner Hersteller. Hier bleibt zu hoffen, dass mit dem Erfolg des neuen Standards weitere Entwicklungen und Erweiterungen vorgenommen werden. Dennoch gilt: Mit Matter und dem Thread-Netzwerk ist ein wichtiger Schritt in die Richtung eines sicheren, zukunftsfähigen, effizienten und vor allem einheitlichen Smart-Home-Standards getan.

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Matter als neuer Smart-Home-Standard und seine Implikationen besonders für das SHK-Handwerk. (Teil 1/2)

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