Smart und digital: Nur so gelingt die Energie- und Wärmewende
Mehr als die Hälfte der jährlich aufgewendeten Energie benötigen wir dazu, um Wärme zu erzeugen. Der Gebäudesektor im Speziellen verbraucht 40 Prozent des jährlichen Gesamtenergiebedarfs in Deutschland. Vor der aktuellen Energiekrise dominierte in der öffentlichen Debatte rund um die Energiewende hauptsächlich das Thema Stromversorgung. Entsprechend stiegt auch der Anteil an erneuerbaren Energien im Bereich des Stromverbrauchs kontinuierlich an. Auch das neue Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende, das sich auf die Smart Meter Technik konzentriert, zielt hauptsächlich auf die Stromerzeugung ab. Im Gegensatz dazu lautet meine These mehr denn je, dass die Energiewende nur dann ein Erfolg werden kann, wenn wir sie maßgeblich als Wärmewende verstehen.
Energiewende als Wärmewende
Diese Unterscheidung zwischen Wärmewende und Energiewende ist nicht nur rein begrifflicher Natur. Wenn wir gezielt die Wärmeversorgung und nicht die Energieträger sowie die Stromversorgung ins Zentrum der Debatte rücken, kommen wir zu neuen Lösungsansätzen. Die Wärmewende muss dabei auf drei Säulen beruhen: der Gebäudetechnik, der Heizungstechnik und der Digitalisierung. Insbesondere der Digitalisierung kommt meiner Überzeugung nach eine Schlüsselrolle bei der Wärmewende zu.
Übersicht über die vorhandenen alternativen Energiequellen im Wärmesektor
Die Basis der Energie- und der Wärmewende stellen gleichermaßen die verschiedenen Energiequellen dar. Die Suche nach Alternativen muss daher auch in Bezug auf alternative Wärmequellen dort ansetzen. Im Wärmesektor herrscht noch akuter Aufholbedarf: Der Anteil der erneuerbaren Wärmequellen liegt bei gerade einmal 9,9 Prozent, im Vergleich dazu liegt der Anteil des Stroms, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, bei 27,8 Prozent. Um Wärme aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, steht eine ganze Reihe von Alternativen bereit. Ich möchte mich auf die vier zentralen Energieträger beschränken, die ich für die aussichtsreichsten Kandidaten gegenüber herkömmlichen Methoden zur Wärmeerzeugung halte.
Biomasse: Innerhalb der alternativen Energiequellen zur Wärmeerzeugung stellt Biomasse mit 87 Prozent den größten Anteil. Besonders die Verbrennung von Holz ist neben der Nutzung von biogenen Anteilen von Abfall der Hauptlieferant von Wärmeenergie.
Solarthermie: Durch die Dominanz der Biomasse werden neuere Technologien wie die Nutzung der Solarthermie am Ausbau gehindert. Doch während in Bezug auf Nachhaltigkeit der Biomasse eine Wachstumsgrenze gesetzt ist, stellt gerade die Sonnenenergie eine wichtige alternative Energiequelle zur Wärmeerzeugung dar, die ein enormes Ausbaupotenzial hat.
Tiefen-Geothermie: Die Erde selbst stellt eine schier unerschöpfliche und vor allem konstante Quelle für Wärme dar. In Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern herrschen Temperaturen weit über 150 Grad Celsius. Diese Wärme kann direkt genutzt werden, indem sie mit Wärmepumpen gefördert wird, oder auch der Stromgewinnung dienen, indem damit Generatoren betrieben werden.
Umweltwärme: Das Prinzip der Wärmepumpen funktioniert auch in weniger tiefen Erdschichten. Das Grundwasser, bestimmte Gesteinsschichten oder Böden weisen Temperaturen von bis zu 25 Grad Celsius und eine gute Wärmeleitfähigkeit auf. Ideale Voraussetzungen, um sie zu fördern und damit gut isolierte Gebäude sehr wirtschaftlich mit Wärme zu versorgen.
Die Funktion der Dämmung bei der Energiebilanz
Neben den Energiequellen bildet die Möglichkeit, Wärme verlustfrei über eine lange Zeit zu speichern, die größte technologische Herausforderung dar. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor sowohl bei der Energiebilanz von Gebäuden als auch bei der Entwicklung von Wärmespeichern stellt die Dämmung dar. Auch auf diesem Gebiet gibt es zahlreiche Neuerungen, die einen positiven Beitrag zur Meisterung der Energiewende leisten. Beispielsweise soll eine elektrisch schaltbare Wärmedämmung es in Zukunft ermöglichen, in den Heizperioden zusätzlich durch Sonneneinstrahlung erzeugte Wärme ins Innere des Gebäudes zu leiten und gleichzeitig das Gebäude zu isolieren. Auch die Entwicklung und Förderung von ökologisch nachhaltigen Dämmstoffen halte ich für eine wichtige Aufgabe von Politik und Forschung.
Welchen Beitrag leistet die Digitalisierung zu der Energiewende?
Ein meiner Meinung nach unterschätzter Faktor bei der Wärmewende stellt die Digitalisierung dar. Die intelligente Vernetzung kann einen wesentlichen Beitrag zur Umstellung auf erneuerbare Wärmequellen leisten. Die Digitalisierung schafft die Grundlagen dafür, Energie effizient zu nutzen und intelligent zu verteilen. Durch die digitale Vernetzung zu einem komplexen System, das aus Energieversorgern und Energieverbrauchern besteht, entsteht ein sogenannter „Smart Grid“.
Die intelligente Vernetzung ermöglicht die Systemintegration von Verbrauchern, die zugleich Energieerzeuger sind. Beispielsweise können Besitzer von Blockheizkraftwerken, die Effekte der Kraft-Wärme-Kopplung nutzen und zugleich Wärme und Strom erzeugen und ihren zusätzlich produzierten Strom bei Bedarf ins Gesamtnetz einspeisen. Die smarte, digitale Vernetzung ermöglicht dies einerseits und schafft zugleich die Grundlage für neue Geschäftsmodelle, die aus den Verbrauchern Produzenten macht.
Die Digitalisierung: Messen und Steuern
Die Digitalisierung leistet allerdings noch viel mehr. Als privater Stromkunde erhielt ich früher einmal pro Jahr eine Rechnung, auf der ich meinen Verbrauch ablesen konnte. Dank der Digitalisierung kann ich heute meinen Verbrauch in Echtzeit messen und einfach auf meinem Smartphone ablesen. Dadurch erhalte ich eine Transparenz, die zu wertvollen Erkenntnissen und daraus abgeleiteten Konsequenzen führt. Wenn ich sehe, wann mein Energieverbrauch besonders hoch ist, kann ich dadurch mein Verhalten auf den Prüfstand stellen oder bestimmte Geräte identifizieren, die den Energieverbrauch stark beeinflussen.
In Bezug auf die Wärme können Messungen ein Wissen darüber verschaffen, an welchen Stellen es beispielsweise in einem Gebäude zu Wärmeverlusten kommt. Insbesondere für die Industrie liefert dieser Aspekt ein enormes Sparpotenzial, da durch nicht vermeidbare Wärmeverluste große Mengen von Energie verloren gehen. Diese nicht genutzte Wärme kann zur Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser zurückgeführt oder im Rahmen anderer betrieblichen Prozesse verwendet werden. Durch die in Echtzeit verfügbaren Informationen wird das gesamte Energiesystem flexibler: In Zeiten extremer Knappheit könnten Privatverbraucher und Unternehmen eine Prämie erhalten, wenn sie bestimmte besonders energieintensive Anlagen vom Netz nehmen. Die gezielte und flexible Steuerung des Bedarfs und die Vermeidung von Versorgungsengpässen wird durch die Smart Meter Technologie möglich.
Die Wärmewende braucht digitale und personelle Vernetzung
Begreifen wir die Energiewende als Wärmewende stehen wir einerseits erst am Anfang ihrer Bewältigung. Für mich heißt das aber in anderen Worten, dass die Wärmewende ein enormes Potenzial in sich birgt. Da der Wärmebedarf den größten Anteil am gesamten Energieverbrauch darstellt, ist auch die Wirkung am weitreichendsten, wenn hier der Hebel angesetzt wird.
Ein Schlüssel dazu liegt im Ausbau der Vernetzung – sowohl in der digitalen wie auch der personellen Vernetzung. Mit der Wärmewende steigt der Bedarf an einer Beteiligung neuer Akteure und einer stärkeren Vernetzung aller Beteiligten. Damit bringt die Wärmewende auch ein erhebliches Beschäftigungspotenzial, insbesondere im Bereich der energetischen Gebäudesanierung aber auch durch den Ausbau der erneuerbaren Energien im Wärmemarkt. Wenn es gelingt, den Wärmemarkt der Zukunft digital zu vernetzen und mit smarten Lösungen auszustatten, kann die Wärmewende zu einem Erfolgsmodell werden.